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Halb Voll? Halb Leer?

Da steht ein Glas Wasser auf dem Tisch. Es betrachtend stelle ich mir eine wohlbekannte Frage. „Ist dieses Glas halb voll oder halb leer?“. Manchmal bin ich sicher, das Glas ist halb voll und zu anderen Zeiten bin ich ziemlich sicher, es ist halb leer.


Zweifellos gibt es da eine Verbindung zwischen dem, wie ich mich fühle und diesem Denkvorgang. Üblicherweise sind wir uns dessen nicht bewusst, wie eng unser Gefühlsstatus mit unseren Denkprozessen verbunden ist. Was man denkt hat eine physiologische Resonanz im Körper … und ungekehrt, was man in seinem Körper fühlt zeigt ein korrespondierendes Gedankenmuster. Der Körper und der Geist sind in einem biologischen Feedbacksystem miteinander verknüpft.

Ich schaue auf dieses Glas Wasser und denke es ist halb leer. Ziemlich sicher hätte ich gestern gedacht, es ist halb voll! Gestern fühlte ich mich voller Energie (vielleicht das Ergebnis daraus, dass meine Liebste mir köstlichen, sehr starken Kaffee zubereitete). Heute fühle ich mich kraftlos. Gestern, in diesem Gefühl, voller Energie zu sein, war das Glas zweifellos halb voll; heute erscheint dasselbe Glas Wasser eindeutig halb leer.


Ich bin mir nicht sicher was zuerst da war, mein Gefühlszustand oder meine Denkprozesse? In der Betrachtung dessen wird mir nun bewusst, dass – was immer meine Antwort ist – ich damit einfach die Gedankenprozesse und/ oder Glaubenssätze bestärke, die ich habe. Es ist dann nur ein kleiner Schritt daraus zu folgern, dass ich mich in der Auslegung des Glases als halb leer ‚negativ’ fühlen muss um dann in weiterer Folge zu denken, ich ‚sollte’ positiv sein. Dieser Gedanke erzeugt Druck; ist ein stressbeladener Gedanke.


Stressbeladenes Denken hat ein deutliches Muster: es ist in seinem Wesen kreisend. Wie ein Hamster auf seinem Rad drehen wir denselben Gedanken  in unserem Denken herum. Wir meinen vielleicht, unterschiedliche Gedanken zu einem bestimmten Thema zu haben. Doch wenn wir den Fluss des – hauptsächlich unbewussten – Denkens aufnehmen könnten, würden wir wahrscheinlich entdecken, dass derselbe Gedanke wieder und wieder auftaucht. Je länger diese Denkprozesse laufen, umso mehr Anspannung entsteht.


Eine Psychologin, tätig im Bereich Stressmanagement, hielt vor ihren Zuhörern ein Glas Wasser hoch. Jeder erwartete, dass sie die ‚Halb voll-/ halb leer-Frage’ stellt. Tat sie aber nicht. Stattdessen fragte sie: „Wie schwer ist dieses Glas Wasser?“.  Die Teilnehmer riefen ihr Antworten zwischen 200 und 500 Gramm zu.


Die Psychologin antwortete: “Das absolute Gewicht spielt keine Rolle. Es hängt davon ab, wie lange ich es halte. Halte ich es eine Minute, ist es kein Problem. Wenn ich es für eine Stunde halte, wird mein Arm schmerzen. Halte ich es für einen Tag, wird sich mein Arm taub und  gelähmt anfühlen. In jeder der Situationen hat sich das Gewicht des Glases nicht verändert, doch je länger ich es halte, umso schwerer wird es.“


Sie setzte fort: “Die stress- und sorgenbeladenen Situationen im Leben sind wie das Glas Wasser. Denke für eine Weile über sie nach und nichts wird passieren. Denk etwas länger darüber nach und sie beginnen zu schmerzen. Und wenn du den ganzen Tag lang über sie nachdenkst, wirst du dich gelähmt fühlen – unfähig irgendetwas zu tun.“


Also …..  erinnere dich daran das Glas abzustellen. Was auch immer an Stress in deinem Leben auftaucht, welche Last auch immer du tragen magst; einfach die Gegenwärtigkeit für diese internale Feedbackschleife zwischen Gedanken und Emotionen kann dir ein wenig Raum geben – und  von dort aus eine andere Perspektive: das Glas ist weder halb voll noch halb leer (es könnte beides sein!). Der größte Stress ist der stressbeladene Gedanke; dieser Gedanke trägt mehr Gewicht im Vergleich zu dem, was tatsächlich in einem Moment geschehen könnte.

Ich bin durstig. Das Glas Wasser sieht einladend erfrischend aus.


* Für Kaffeeliebhaber basiert Bulletproof Coffee auf tibetischem Yak-Tee: Rezept siehe here





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