Einige Beobachtungen zum Einfluss von Familie und Pflegepersonen auf die individuelle Gesundheit
Die meisten Menschen haben folgende Vorstellung von Therapie: eine Einzelsitzung oder eine Serie von Behandlungen in der äußeren Form einer Eins-zu-eins-Interaktion von Therapeut und Klient, in welcher der Therapeut sich auf seine Erfahrung und Fachkenntnis beruft um dem vom Klienten präsentierten Thema zu begegnen. Während jeder Sitzung wendet der Therapeut unterschiedliche Techniken an und bietet bis zur nächsten Sitzung dem Klienten eventuell Übungen als ‚Hausaufgabe’ an.
Unbesehen könnte man zustimmen: dies beschreibt exakt die Klient-/Therapeut-Beziehung. Und doch gibt es mit diesem Zugang eine wesentliche Beschränkung; etwas, das fehlt. Bei näherer Betrachtung können wir erkennen, dass es in diesem Szenario einige Schlüsselannahmen – verstecktes Gepäck – gibt, die einen tiefgreifenden Einfluss auf die Qualität und die Effektivität einer Behandlung haben.
In unserem Denken ist der Glaube tief verankert, dass Krankheit, einschließlich jeder anderen physischen Einschränkung – egal ob bei uns selber oder bei uns bekannten Menschen – grundsätzlich falsch ist und geheilt werden muss; ‘drüber hinwegkommen’ so schnell wie möglich. Gleichzeitig mit dieser unbewusst innewohnenden Überzeugung besteht der Gedanke, dass die Angelegenheit des Klienten für sich eigenständig existiert – nicht nur vom Klienten selbst separiert, sondern auch von allem anderen, speziell von seinen maßgeblichen Beziehungen.
Ein Therapeut, der Krankheit oder eine andere physische Herausforderung als etwas betrachtet, das schlichtweg beseitigt werden muss, wird wahrscheinlich auch der Ansicht sein, der Klient habe ‘ein Problem’ und – was immer dieses Problem ist – es getrennt und gesondert von allem anderen existiert. Von dieser zweifachen Abtrennung aus wird der Therapeut ohne Zweifel annehmen, dass es an ihm ist, zu ‚reparieren’ was immer dieses Problem ist. Ziemlich unbewusst finden sie sich im Behandeln von Menschen als wären sie Automechaniker, die an einem Automotor arbeiten. Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihnen das nicht passiert ist dann fragen Sie sich selbst: wie oft haben Sie an einen Klienten in Termini seines präsentierten Problems gedacht – z.B. mein Schlaganfallpatient, mein Stotterer, usw.?
Sie könnten nun fragen was an dieser Denkweise gegenüber einem Klienten falsch sein soll.
Wann immer wir jemanden auf diese Art und Weise erfassen, laufen wir Gefahr, einen für den Klienten wenig hilfreichen Zustand der Getrenntheit zu erschaffen. Dies beraubt die Person eines wichtigen Heilungswerkzeugs, nämlich ihres Gefühls des ‚In-Verbindung-seins’.
Bedenken Sie, dass Sie als TherapeutIn mit dem Gedanken, Ihr Klient habe ein von allem anderen gesondert existierendes Problem, eine kraftvolle Botschaft senden. Der Klient wird wahrscheinlich über seine Angelegenheit dasselbe denken – als etwas in ihm Abgesondertes, das es ‚zu reparieren’ gilt. Von hier weg ist es dann nur ein kurzer Schritt zu dem Gedanken, dass es die Person sei, die zu ‚reparieren’ ist und darüber weiter zu der Vorstellung, dass diese Person irgendwie ‚falsch’ sei.
Selbstverständlich ist es für einen Therapeuten bei der ersten Konsultation notwendig zu erfahren, warum ein Klient zu einer Behandlung kommt und fraglos wird eine gründliche Exploration der Problematik stattfinden. Ist eine geeignete Lösung gleich verfügbar, umso besser. Geht die Angelegenheit allerdings über das Mechanische hinaus, wird eine Veränderung nicht so leicht zu erreichen sein.
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass Techniken und Übungen nicht wichtig wären. Sie sind es und sie helfen. Bleibt eine Behandlung allerdings nur auf der Ebene funktioneller Arbeit, die als Einbahnstraße vom Therapeuten zum Klienten geschieht, werden die Ergebnisse notwendigerweise beschränkt bleiben. Es gibt breiter gefächerte Aspekte, die Berücksichtigung finden sollen.
Der Zugang von Body Resonance
Stellen Sie sich ein Universum vor, in dem alles miteinander in Verbindung steht – eine Sichtweise, die nahezu zwangsläufig durch die Entdeckungen der Quantenphysik des letzten Jahrhunderts vorgegeben ist. Wenn wir das Leben, Gesundheit und Krankheit als ein Netzwerkphänomen betrachten, dann ist Krankheit oder eine andere physische Herausforderung kein unabhängig existierendes Ereignis, da sie auf mehr als die betroffene Person Einfluss hat.
Das heißt, wir können uns selbst nicht von einem stattfindenden Prozess – sei es nun unser eigener oder der des Klienten – distanzieren, da wir Teil eines Kontinuums sind, in dem alles miteinander verbunden ist. Einige dieser Verbindungen haben Auswirkungen, die nicht so leicht erkennbar sind. Zum Beispiel – wie Heisenberg (1) als erstes postulierte – den Einfluss eines Beobachters auf das Ergebnis eines Experiments, wodurch die Frage bezüglich der Unmöglichkeit völliger Objektivität in den Raum gestellt wurde. Oder das Erkennen, dass dieses Kontinuum nicht nur unsere – und unserer Klienten – gegenwärtige Lebenswelt mit einschließt, sondern auch das, was wir als Vergangenheit verstehen: die Erfahrungen, Vorstellungen und Handlungen all derer, die vor uns kamen. (Bert Hellingers Familienaufstellungsarbeit als Zugang zu systemischen Familienproblemen leistet zu diesem Thema einen wesentlichen Beitrag. (2)
Unter diesem Blickwinkel ist Krankheit oder eine andere physische Herausforderung etwas umfassender als eine simple Veränderung der biologischen Struktur oder Funktion. Die derzeitige Norm medizinisch-wissenschaftlichen Denkens versucht, die menschliche Erfahrung auf eine klinische Diagnose zu reduzieren; damit werden eine Menge an beitragenden Faktoren zu jedwedem Sachverhalt übersehen. Unzweifelhaft ist ein umfassenderer Zugang erforderlich – einer, der nicht nur die biologische Seite, sondern auch die sozialen und psychologischen Einflüsse mit einbezieht.
In einem früheren Artikel für LogoThema (2/2010) schrieb ich, dass die Fähigkeit des Therapeuten, mit dem Klienten in Kontakt zu gehen und das Gefühl des Klienten, ‘gesehen’ und als Person geschätzt zu sein – unabhängig von der Herausforderung, die er auch immer präsentieren mag – die größte Unterstützung für eine signifikante und dauerhafte Veränderung zu sein verspricht. Aus der Sichtweise von Body Resonance behandeln wir Klienten nicht, als seien sie isolierte Wesen, sondern wir berücksichtigen auch diejenigen Menschen, die das tägliche Unterstützungssystem darstellen – die Familie und weitere Bezugspersonen.
“(Die) Krankheitserfahrung… ist immer kulturell gefärbt.” Arthur Kleinman, The Illness Narratives
Jeder von uns ist auf so vielfältige Weise mit anderen verbunden: durch Familie und Freunde, in der Schule oder in der Arbeit. Diese Beziehungen beeinflussen uns in nicht immer offensichtlicher Art und Weise. Wir alle sind durch Familie, Schule, Freunde, Kirche usw. geprägt. Diese Konditionierung ist wie ein kultureller Code der uns darüber unterrichtet, wie wir unser Leben führen sollen, was in Ordnung ist und was nicht, wie wir sein sollten und über eine weitere breite Palette von ‚sollte’s’ und ‚sollte nicht’s’.
Wir haben ein großes Wissen um eine ganze Palette an Themen in unseren Leben erreicht; Dinge, die wir einfach als selbstverständlich hinnehmen und gar nicht mehr hinterfragen.
Eine dieser kulturellen Konditionierungen ist unser Zugang zu Krankheit, physischen Herausforderungen und eigentlich zu allem, was nicht unserer Vorstellung von ‘normal’ entspricht. Wir werden dazu angehalten, Gesundheit als einzig akzeptablen Zustand zu betrachten; und tatsächlich, wie oft verstecken wir Krankheit und Tod als wäre dies irgendwie schambesetzt? Als eine Gesellschaft haben wir Erfolg mit immerwährender Jugend – lebend auf einem Kontinent der Gesundheit – gleichgesetzt. Wir trennen uns selbst von dem Ozean der Krankheit, der unsere Stabilität bedroht. Ja, tatsächlich leiden einige von uns an chronischer Gesundheit! Doch Gesundheit und Krankheit sind zweifellos eng miteinander verbunden.
Als Therapeut ist es von entscheidender Bedeutung, die Annahmen zu erkennen, die Sie vielleicht in sich halten, da diese einen direkten Einfluss auf die Art des Kontakts mit Ihrem Klienten haben.
Wenn dies stimmt und die Annahmen des Therapeuten über den Klienten und seine Krankheit oder physische Herausforderung das Ergebnis der Therapie beeinflussen, dann ist es auch wahr, dass die Haltungen und Annahmen derer, die mit dem Klienten leben und/oder für ihn sorgen ebenfalls einen Einfluss auf seine Entwicklung haben.
“Niemand ist eine Insel ganz für sich.” John Donne, Meditations XVII
Der Einfluss der Familiendynamik
Wenn ein Elternteil sein Kind zur Therapie bringt, existiert bereits eine das Ergebnis der Therapie beeinflussende Dynamik – in diesem Fall zwischen dem Elternteil und dem Kind. Vielleicht sind die Eltern in Sorge um das Kind oder sie haben eine Vorstellung davon, wie das Kind zu sein hätte. Sie könnten sich für das, was passiert, verantwortlich fühlen und so vielleicht Schuld empfinden. Sie könnten sich auch wegen der speziellen Bedürfnisse ihres Kindes schämen oder wegen ihres eigenen Gefühls von Unzulänglichkeit.
Zweifellos sind diese konfliktbehafteten Emotionen die Quelle einer Menge an Frustration und verursachen Stress. Dieser Stress könnte hoch genug werden, so dass er die Fähigkeit der Eltern, ihrem Kind zuzuhören und mit ihm in Verbindung zu sein, beeinträchtigt. Tatsächlich könnte ebendieses Bild der Eltern über ihr Kind es sein, das seinem Fortschritt im Wege steht. Der Elternteil, der in dieser Weise gestresst ist möchte mehr Übungen für das Kind; er wird vielleicht sogar verschiedene Therapeuten aufsuchen, wodurch das Kind in einen niemals endenden Kreislauf an Therapiesitzungen gerät; in einer fieberhaften Sehnsucht das Ergebnis zu erreichen, das bedeuten würde, die Eltern können in der Sicherheit eines sich-nicht-schuldig-fühlen-Müssens ruhen. Ein Kind braucht natürlich Zeit um sich zu entwickeln. Und was seine Entwicklung unterstützt ist nicht so sehr das ‚Tun’, sondern vielmehr die Verbindung auf emotionaler Ebene.
Ich würde sagen, dass eine gefühlsgeprägte Dynamik in jedem Fall besteht, ob es sich nun um ein Kind oder um einen Erwachsenen handelt. Betrachten Sie einen Schlaganfallpatienten: wird er nicht von den Geschehnissen mit seinem Ehepartner zu Hause beeinflusst? Niemand, der einen Schlaganfall erlitt ist dieselbe Person wie davor; der Verlust an physischen Fähigkeiten beeinflusst sein Selbstbild, was die Ursache für großes Leid sein kann. Sie kämpfen nicht nur mit ihrem Verlust an Funktionen sondern auch mit ihrem – realen oder empfundenen – Verlust einer Verbundenheit zu ihrer Familie, Freunden, Arbeitskollegen, etc. Dazu kommt noch der Druck von wahrgenommenen Erwartungen – wiederum real oder empfunden – der Familie und/ oder der Pflegepersonen (die oft der Ehepartner oder Familienmitglieder sind).
“Die Seele ist eine Macht… [die] unseren Körper transzendiert und uns mit aneren Menschen vereint, zum Beispiel mit unserer Familie. Die Familie verhältsich als hätte sie für sich eine Seele [und] wird geleitet durch diese Seele und ist vereint durch diese Seele.” Bert Hellinger (Holding Love Seminar, Sedona)
Die Betreuungsperson mit einbeziehen
Sicherlich kennen Sie die Situation, die ich beschreibe. Meiner Erfahrung nach ist die Chance auf einen Durchbruch des Klienten viel geringer, solange die Eltern und/oder die Familie oder Pflegepersonen nicht miteinbezogen und für ihre Mühen gewürdigt werden.
Folgende Beispiele aus meiner Praxis sollen dies illustrieren:
Kürzlich sah ich ein 9jähriges Mädchen, das von seiner Mutter wegen Panikattacken gebracht wurde. Wir kamen an den Punkt, an dem ihre Angst verlassen zu werden in einen Schweißausbruch und Herzrasen übergeht; und zwar in dem Moment, wenn sie ihren Vater einfach die Schlüssel nehmen hört um für die Arbeit aus dem Haus zu gehen. Ich stellte sicher, dass es keine Veränderung in den Lebensumständen gab, keinen Wechsel von Arbeitsbedingungen, kein Trauma oder irgendetwas, das die Quelle dieser Panikattacken hätte sein können. Das Mädchen sagte zu mir, „Ich weiß, dass es nicht echt ist, aber es fühlt sich gleich an.“ Die Verwendung der Sprache in diesem Satz fiel mir auf, denn es klang mehr nach den Worten ihrer Mutter als nach ihren eigenen. Zweifellos war sie eine sehr aufgeweckte Person mit einer hohen kreativen Vorstellungskraft, ganz so wie ihre Mutter.
Einige Zeit nach der Behandlung traf ich ihre Mutter und fragte sie, wie ihre Tochter nun mit ihren Panikattacken umgeht. Es freute mich zu hören, dass es zu einer Verbesserung gekommen zu sein schien. Doch es war die Aussage der Mutter, die mir besonders auffiel: „Als du meiner Tochter erzähltest, dass es für Kinder ihres Alters nicht unüblich ist, diese Art von Angst zu haben, schaute meine Tochter mich an und ich konnte sehen, was für eine Erleichterung dies für sie war – einfach zu wissen, dass es andere Menschen mit denselben Problemen gibt.“ Die Mutter fuhr fort, dass sie in diesem Moment erkannte, wie viel Druck sie auf ihre Tochter ausgeübt hatte. „Ich sah sie durch deine Augen und irgendwie fühlte ich, dass es gut werden wird.“ Ich denke sie meinte, dass es für sie gut werden wird – abgesehen von ihrer Tochter. Dies war der Durchbruch: das Erkennen der Mutter, wie viel Druck sie auf ihre geliebte Tochter ausgeübt hat, erlaubte ihr, einen Schritt zurück zu gehen und sich mit ihr auf emotionaler Ebene zu verbinden. Sich auf dieser tieferen Ebene verbunden zu fühlen, ließ die Angst des Kindes, verlassen zu werden, sinken.
In einem anderen Fall wurde ich gebeten, einen 10jährigen Jungen zu behandeln, bei dem im Alter von 8 Jahren eine ‚idiopathische juvenile Skoliose’ diagnostiziert wurde. Ungewöhnlich während dieser Zeit seiner Behandlung war, dass ich gleichzeitig die Gelegenheit hatte, mehrere seiner Familienmitglieder zu behandeln; einschließlich seiner Schwester, beider Eltern, die Großeltern beiderseits und sogar einige Cousinen, Tanten und Onkel. Je mehr ich mit der Großfamilie des Jungen in Kontakt kam, umso klarer zeigte sich der starke Fokus der Familie auf die Skoliose des Jungen. In jeder Behandlung eines der Familienmitglieder brachten sie mit ihren ersten Worten zum Ausdruck, welch ein furchtbares Leiden der Junge zu tragen hat. Und jedes Mal wenn sie sagten, „Ich hoffe, er kommt in Ordnung“, konnte ich zwischen den Zeilen hören, dass sie sich sicher waren, dies würde nicht geschehen. Es schien, als wäre sich die gesamte Familie in dem Punkt einig, dass der Junge ein schreckliches Leiden hatte, das von der gesamten Familie irgendwie getragen werden musste.
Als ich ihn das erste Mal traf, war er fast ständig unter Aufsicht eines der vielen Familienmitglieder. Von jedem Verhalten, das für einen 10jährigen eigentlich üblich wäre, wurde er abgehalten. Auf meine Frage, warum er nicht mit anderen Kindern herumlaufe, antwortete er, dies wäre gefährlich. Auf mein weiteres Nachfragen, warum er denn dies denkt, sagte er, „Wegen meiner Skoliose. Wenn ich falle, dann werde ich mir meinen Rücken brechen“.
Je länger ich mit ihm sprach, desto mehr erzählte er, was er wegen seiner Skoliose alles nicht tun könne. Sein ganzes Leben schien rund um korrektive Therapien zentriert zu sein. Seine Eltern haben tatsächlich Dutzende von orthopädischen Chirurgen, Physiotherapeuten und Heilern jeglicher Couleur in ganz Europa aufgesucht.
Fairerweise soll hier angemerkt werden, dass der Großteil der elterlichen Absicht ein ernsthaftes Bemühen war, ihrem Sohn zu helfen. Doch waren als dahinter liegende Motivation ebenso viel Frustration und Schuldgefühl zu finden. Beide Elternteile äußerten mir gegenüber, dass sie sich vor dem fürchten, was ihr Sohn ihnen wohl als Erwachsener sagen wird. Sie erwarteten, dass er auf sie wütend sein und sie dafür beschuldigen wird, ihm nicht geholfen zu haben, die falschen Dinge und nicht genug getan zu haben. Was sie nicht wahrnehmen konnten war, wie sich ihre Angst und Frustration auf ihren Sohn übertrug; wie viel Druck er, durch diese von der ganzen Familie erzählten Geschichte über sein ‚Leiden’, zu tragen hatte.
In diesem Fall war es die größte Herausforderung, der Familie behilflich zu sein, ihre Erwartungen und Ängste darüber, was für ihren Jungen möglich oder nicht möglich sein könnte, loszulassen; ihnen zu helfen, ihre eigenen Vorurteile darüber, was sie für möglich hielten im Vergleich zu dem, was tatsächlich passiert, zu erkennen. Je mehr die einzelnen Familienmitglieder ihre eigene Angst losließen, desto weniger empfand der Junge seine verkrümmte Wirbelsäule als Hemmschuh seines Lebens und umso erfolgreicher verlief seine Behandlung.
Eine dynamische Beziehung
Die traditionelle medizinisch-wissenschaftliche Sichtweise betrachtet den physischen Körper als eine separate, in sich geschlossene Einheit. Doch fraglos sind die Kinder der obigen Beispiele alles andere als unabhängig von den Beeinflussungen ihrer Familie oder anderer Personen. Richtiger wäre es darauf hinzuweisen, dass der Körper über einen tatsächlichen physischen Austausch in einer dynamischen Beziehung zu all den anderen Körpern steht – einem biopsychosozialen Austausch, den wir als ‚Biodance’ beschreiben könnten.
Wenn wir also nicht getrennt sind – nicht sein können – dann gilt es, die Unmöglichkeit gänzlicher Objektivität anzuerkennen. Offensichtlich gibt es einen Zusammenhang zwischen unserem Denken und Fühlen bezüglich Krankheit oder einem körperlichen Problem und dem Ergebnis jedweder Therapie.
Und wenn wir Therapeuten es sind, die in Verbindung gehen, um damit den ‚Raum’ zu schaffen, der für eine heilsame Entwicklung gebraucht wird, dann tun wir dies, indem wir unsere Subjektivität mit einbeziehen. Wir können uns unserer Projektionen, unserer Urteile und Geschichten darüber, wie wir meinen, dass die Welt sei, bewusst sein. Dieses simple Gewahrsein kann uns sanfter werden lassen und uns für Tieferes öffnen, das wir vorher noch nicht wahrgenommen hatten.
Wichtiger vielleicht noch: wir können den Familien helfen, sich ihrer eigenen Vorurteile und beschränkenden Glaubenssätze bewusst zu werden. Welch größere Unterstützung könnte es für Ihren Klienten geben als den Pflegepersonen beim Verstehen zu helfen, wie es ist und welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, zum Beispiel nicht sprechen zu können? Übrigens ist die Unterstützung der Familie/ Pflegepersonen ein wesentlicher Baustein für die Gesundheit und das Wohlbefinden jedes Klienten.
In jeder Behandlung gibt es eine implizierte Herausforderung: nämlich in der Lage zu sein, zu erkennen, wie Sie als Therapeut (oder Ihr Klient und seine Bezugsperson/en) am Geschehen hinter dem präsentierten Problem teilhaben. Genauer: wie unterstützen oder behindern Sie – oder sie – den Heilungsprozess Ihres Klienten?
1) Werner Heisenberg postulierte 1927 die Unschärferelation. Aus diesem Postulat leitete sich die Bestätigung für den Einfluss des Beobachters auf jedwedes Experiment ab. 2) Hellinger, B. (2003). Der Friede beginnt in den Seelen: Das Familien-Stellen im Dienst der Versöhnung. Heidelberg, Germany: Carl-Auer-Systeme Verlag.
Artikel: LogoThema 1/2012 PDF 1.5M
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